// STEILDACH: UMWELTBEWUSST UND ÄSTHETISCH?

// WARUM EIN UMWELTBEWUSSTES UND ÄSTHETISCHES STEILDACH EINER NADEL IM HEUHAUFEN GLEICHT
Der Kommentar von Simon Weischer von weischer architekten aus Köln über die Gestaltung von nachhaltiger Architektur.

Zeitgemäße Architektur ist eigentlich nicht mehr ohne Umweltbewusstsein zu denken, und das geht für uns einher mit der Auswahl der richtigen Materialien. Die Verwendung von Baustoffen aus nachwachsenden Rohstoffen wie Holzfaserdämmungen ist ein guter Ansatz. Im Bereich der Dachbeläge besteht hingegen Nachholbedarf. Genauso wichtig ist für uns die Frage, wie es mit dem Gebäude nach der Lebenszeit weitergeht: Können die einzelnen Bauteile demontiert und wiederverwendet werden? Hier liegt das Steildach gegenüber flachen Dächern mit verklebten oder mechanisch fixierten Bitumen-Abdeckungen natürlich klar im Vorteil.

Auch Ästhetik und umweltbewusstes Bauen schließen sich keinesfalls aus – nur leider ist dies in den meisten Fällen immer noch eine Frage des Budgets. Auf der Baustoff-Seite gibt es bislang zu wenige Hersteller, die wirklich ökologische Lösungen anbieten. Dadurch liegen die Kosten für ein Gebäude in umweltbewusster Bauweise immer noch deutlich höher als für konventionelle Alternativen. Im technischen Bereich denken wir schnell an eine PV-Anlage oder die Luft-Wasser-Pumpe im Vorgarten, die ästhetisch wirklich nicht besonders ansprechend sind. Auch hier sind Lösungen, wie etwa gestalterisch vorteilhafte Solarziegel, aus Kostengründen leider noch nicht weit verbreitet.

Gleichzeitig gibt es viele gelungene Beispiele, die einen hohen ökologischen Anspruch mit dem Steildach verbinden, zum Beispiel die Bibliothek in Kressbronn am Bodensee, die in eine alte Scheune gebaut wurde. Gerade im süddeutschen Raum entsteht eine Vielzahl von Gebäuden, die exemplarisch für den Trend weg vom weißen Flachdach-Kubus stehen und dabei – neben anderen – auch ursprüngliche Materialien wie Holzschindeln wiederentdecken.

Diese Beispiele machen den Nachhaltigkeitsgedanken auch nach außen sichtbar, aber das ist kein Muss. Eine nachhaltige Bauweise muss man dem Gebäude nicht zwangsläufig ansehen: ein Haus mit einer Holzfassade kann trotzdem aus Betonwänden bestehen, ein Holzbau hingegen kann eine Putzfassade haben. Man kann also von der Erscheinung des Gebäudes nicht auf dessen ökologischen Fußabdruck schließen. Das bedeutet gleichzeitig auch, dass niemand befürchten muss, die ästhetische Qualität der Architektur würde unter dem Streben nach Ressourcenschonung leiden.

Gerade in den letzten Jahren hat sich das Bewusstsein für Ökologie in der Gesellschaft gewandelt. Die Menschen möchten zunehmend nachhaltig leben, konsumieren und auch bauen. Bedauerlicherweise scheitert das am Ende noch zu oft an den Kosten. Es wäre wünschenswert, dass sich Bauherren zugunsten geringerer Kosten in Zukunft nicht mehr gegen ihr Gewissen entscheiden müssen. Nachhaltiges Bauen darf kein Luxus sein.

Gastkommentare in stadt/land/dach geben stets die Meinung der jeweiligen Gastautoren wieder und nicht explizit die der Herausgeber
Im Rathaus der Eysturkommuna von Henning Larsen verschwimmen die Grenzen zwischen Natur und Architektur. Das steile Gründach des Bauwerks, das zugleich als Brücke über den Fluss dient, fügt sich selbstverständlich in die umgebende färöische Landschaft ein.
Bildnachweise: weischer architekten (1); Henning Larsen Architects / Nic Lehoux (2)

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