// IST KLIMAGERECHTE ARCHITEKTUR KOMPROMISSLOS?

// DR. THOMAS WELTER, BUND DEUTSCHER ARCHITEKTINNEN UND ARCHITEKTEN
Dr. Thomas Welter, Geschäftsführer BDA-Bundesverband, über die zukünftige Verantwortung der Baubranche.

Um die globale Erwärmung auf 1,5 Grad zu begrenzen, müssen wir sofort eine radikale Veränderung unserer Lebenswirklichkeit in Kauf nehmen, bei der eine klimagerechte Architektur und Stadtplanung keine Option, sondern eine Notwendigkeit darstellt. Der Traum vom ewigen Wachstum ist schon seit Langem geplatzt. Es gibt kein „Weiter so“ mehr. Statt größer, schneller, weiter sind Reduktion und Erhalt die neuen Bezugsgrößen einer zukunftsweisenden Lebensweise. Das gilt auch und gerade für Architektur und Stadtplanung. Als gesellschaftliche Impulsgeber und Katalysatoren können wir zeigen, dass ein ökologisches Umdenken nicht Verzicht, sondern ein Plus an Lebensqualität bedeutet.

Um diesen Anspruch zu erfüllen, müssen wir uns die Zeit nehmen, mehr über Gebäude nachzudenken. Natürlich auch über das Dach eines Gebäudes und dessen Potenzial, Energie einzusparen sowie zu erzeugen. Wir brauchen am Bau keine effizienteren Prozesse, wir brauchen kreative Ideen für einen reduzierten und klimafreundlichen Energie- und Materialverbrauch. Dass Bauen dabei vermehrt ohne Neubau auskommen und den Bestand nutzen und weiterentwickeln muss, ist mittlerweile auch auf Seiten der Politik angekommen. Doch auch wenn neue gesetzliche Vorgaben und Förderprogramme zum Erhalt und der Umnutzung des Gebäudebestandes noch auf sich warten lassen, kann und muss bereits jetzt gehandelt werden.

Klimagerechtes Bauen braucht nicht nur geänderte Gesetze, Verordnungen und Normen, sondern vor allem ein Umdenken im Kopf. Den Bestand erhalten, statt leichtfertig abzureißen, natürliche und nachhaltige Materialien verwenden und Rückbau sowie Umnutzung bereits bei der Planung eines Gebäudes berücksichtigen – das alles ist jetzt bereits umsetzbar, nachzulesen im BDA-Positionspapier „Haus der Erde“ von 2019, weiterentwickelt 2020.

Ein Schlüssel, um mit weniger Materialressourcen auszukommen, ist die Rückbesinnung auf einfache und tradierte regionale Bauweisen. Wir müssen damit aufhören, einen standardisierten Gebäudetyp überall bauen zu wollen. Stattdessen sollten wir Gebäudeformen, Bauweisen und Materialien nutzen, die sich seit jeher in der Region bewährt haben. Dazu zählt auch ein regionaltypisches Dach, was nicht nur einen optimalen Schutz vor den in der jeweiligen Klimazone herrschenden Wettereinflüssen bietet, sondern auch in seiner Langlebigkeit identitätsstiftend ist.

Gastkommentare in stadt/land/dach geben stets die Meinung der jeweiligen Gastautoren wieder und nicht explizit die der Herausgeber.
Verdichtung auf kleinstem Raum: Unterm steilen Dach und auf gerade einmal 30 bis 40 m2 vereinen die Tiny Houses auf reduzierte, aber dennoch komfortable Weise Küche, Nasszelle, Wohn- und Schlafraum.
Bildnachweise: Till Budde (1); Stefan Zürrer (2)

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